
Interview
Familie und Unternehmertum
»Mit Disziplin, Leidenschaft und der richtigen Unterstützung kann beides gelingen – Familie und Unternehmertum.«
Silke Mersmann, Goldschmiedemeisterin und zweifache Mutter aus Warendorf
Im Interview schildert Frau Mersmann eindrucksvoll, was es bedeutet, als selbstständige Handwerkerin Schwangerschaft und frühe Mutterschaft zu meistern. Kurz nach der Gründung ihres Betriebs wurde sie zum ersten Mal Mutter – ohne finanzielle Rücklagen, ohne Mutterschutz und mit voller Verantwortung für Kunden, Betriebskosten und ihre Mitarbeiterin. Sie arbeitete bis kurz vor der Geburt und stand schon wenige Tage später wieder in ihrer Werkstatt, mit Kind an der Seite. In der zweiten Schwangerschaft war der Betrieb stabiler, doch gesundheitliche Komplikationen machten deutlich, wie unverzichtbar eingespielte Strukturen und verlässliche Mitarbeiterinnen sind. Gleichzeitig kritisiert sie die fehlende Unterstützung durch Krankenkassen, Handwerkskammern und Politik – Hilfen wie flexible Kinderbetreuung, eine Haushaltshilfe oder weniger bürokratische Belastungen hätten vieles erleichtert. Ihr Appell an junge Frauen ist klar: „Habt den Mut zur Selbstständigkeit – mit Leidenschaft, Disziplin und der richtigen Unterstützung lassen sich Familie und Unternehmertum erfolgreich miteinander verbinden.“
Frau Mersmanns Erfahrungen spiegeln die Realität vieler selbstständiger Mütter im Handwerk wider. Es wird deutlich, dass strukturelle Veränderungen in der Unterstützung von Frauen, die Familie und Beruf als Selbständige im Handwerk verbinden wollen, dringend notwendig sind.
Wie ist Ihre erste Schwangerschaft verlaufen?
Silke Mersmann: »Ich eröffnete mein Geschäft im August und wurde im November schwanger. Rückblickend hätte ich vielleicht die Schwangerschaftsplanung anders timen sollen, aber als Selbstständige gibt es nie den „richtigen Zeitpunkt“. Heute bin ich froh, dass es so gekommen ist.«
Mussten Sie Tätigkeiten aufgeben, die für Ihre Arbeit relevant sind?
Silke Mersmann: »Gefährliche Tätigkeiten wie den Umgang mit Gefahrstoffen habe ich natürlich eingestellt. Alles andere habe ich weitergeführt. Zwar war es am Ende der Schwangerschaft körperlich anstrengend, aber ich habe mich nicht zurückgezogen, sondern weitergearbeitet – das war für mich selbstverständlich.«
Haben Sie bis kurz vor der Geburt gearbeitet?
Silke Mersmann: »Ja, ich habe bis zum Schluss gearbeitet. Als ich eine große Arbeit fertiggestellt hatte, sagte ich: ‚Jetzt kann das Kind kommen.‘ Es kam dann tatsächlich gleich am nächsten Morgen. Als Selbstständige konnte ich mir keinen längeren Ausstieg leisten.«
»Habt den Mut zur Selbstständigkeit – mit Leidenschaft, Disziplin und der richtigen Unterstützung lassen sich Familie und Unternehmertum erfolgreich miteinander verbinden.« Silke Mersmann
Wann sind Sie wieder in Ihren Betrieb zurückgekehrt?
Silke Mersmann: »Fünf Tage nach der Geburt war ich schon wieder im Betrieb. Ich musste mein Geschäft aufrechterhalten und konnte mir keine längere Pause leisten. Aber es war mir wichtig, dass ich mein Kind anfangs in den Betrieb mitnehmen konnte.«
Welche Unterstützung hatten Sie während dieser Zeit?
Silke Mersmann: »Ein Berufskollege hatte eine Mitarbeiterin, die er mir stundenweise ausgeliehen hat. Außerdem fand ich mit viel Glück einen Kitaplatz in einer Elterninitiative, was für mich eine große Hilfe war. Aber ich hätte mir noch eine Haushaltshilfe gewünscht, um die Arbeit besser zu organisieren.«
Welche Unterstützung wünschen Sie sich für selbstständige Mütter?
Silke Mersmann: »Ich fände es wichtig, sichere Kitaplätze zu haben, besonders für Selbstständige ohne familiäre Unterstützung. Auch eine finanzielle Unterstützung für Haushaltshilfen oder Steuererleichterungen während der Schwangerschaft wären eine große Entlastung. Das würde den Frauen helfen, ihre Selbstständigkeit langfristig zu sichern. Außerdem würde es helfen, wenn Selbständige Unterstützung bei der Bürokratie (z. B. Antragstellungen für Krankengeld) bekämen.«
Welche Informationen wären für junge Handwerkerinnen hilfreich?
Silke Mersmann: »Es wäre sinnvoll, das Thema der finanziellen Absicherung für selbstständige Mütter im Handwerk bereits in der Meisterausbildung zu behandeln.«
Welchen Rat geben Sie jungen Handwerkerinnen, die über Selbstständigkeit und Familiengründung nachdenken?
Silke Mersmann: »Wenn der Wunsch zur Selbstständigkeit da ist, sollte man ihn nicht aus Angst vor der Familienplanung aufgeben. Probleme kommen, aber sie lassen sich lösen. Der Weg ist das Ziel, und als Handwerksmeisterin hat man schon viel geschafft – das ist die Grundlage, um auch als Mutter und Unternehmerin erfolgreich zu sein.«
Zur Person:
Silke Mersmann, Goldschmiedemeisterin und zweifache Mutter aus Warendorf, ist eine von 1.000 selbstständigen Handwerkerinnen in Nordrhein-Westfalen, die an unserer Befragung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für selbständige Handwerkerinnen als (werdene) Mütter teilgenommen hat. Im Rahmen dieser Befragung stellte sie sich für ein weiterführendes Tiefeninterview zur Verfügung, das im Juni dieses Jahres geführt wurde.